April 2022
„Carmen“ von Georges Bizet
Einen neuen Blick auf das tödliche Geschehen hat in Hildesheim die erst 30-jährige Gast-Regisseurin Juana Inés Cano Restrepo geworfen, den populären Opernstoff ordentlich abgeklopft und von sämtlichen Klischees und pseudospanischem Kitsch entrümpelt. Sie […] konzentriert sich in ihrer spannenden und modernen Inszenierung ganz auf die Frau und ihr Ringen um ein freies, emanzipiertes (Liebes)-Leben […] In ihrer Version gerät die Titelfigur Carmen zu keinem quasi selbstverschuldeten Opfer eigener Attraktivität und Verführungskunst wie es in herkömmlichen Inszenierungen gern dargestellt wird, sondern sie stirbt an den vermeintlichen Besitzansprüchen eines abgewiesenen Mannes. Dass das kein Einzelschicksal, sondern ein strukturelles Problem der Gesellschaft ist, darauf verweist die Regisseurin mit vielen, klug eingestreuten Nebensächlichkeiten […] In der Titelrolle ist Neele Kramer als unerschrockene, kämpferische Carmen zu erleben, eine Traumrolle für jede Mezzospranistin. Sie beherrscht ihre Partie, singt fesselnd, unerschrocken und lässt doch ab und zu in ihr Inneres, nach Liebe sehnendes Herz blicken. Bei so viel Bühnenpräsenz haben es die Männer […] nicht gerade leicht. […] Diese Hildesheimer Carmen passt in die hiesige Zeit, steht aber musikalisch ganz im Geiste Bizets – und wird am Ende mit Beifall und Bravo-Rufen überschüttet.